Es wird Zeit für die Zusammenfassung meiner Erfahrung, die ich machte, seit ich anfing diesen Blog zu führen.
Was hat mich überhaupt dazu getrieben? Depressionen. Winterdepressionen, die fast jeder Mensch hat. Vielleicht etwas stärker ausgeprägt, als beim Rest... vielleicht auch nicht. Jedenfalls wollte ich meine Gedanken niederschreiben und bis dahin habe ich generell nicht sehr viel geschrieben. Tagebücher liefen bei mir nie gut, nur ein Mal, während der Alpenfahrt, weil ich täglich interessante Sachen erlebte und Abends sowieso nichts zu tun hatte. Dafür habe ich jetzt etwas neben den Fotos, was mir die Erinnerung auffrischt. So auch mit dem Blog. Ich hatte immer das niedergeschrieben, was ich aktuell dachte und mit manchen Sachen, die ich vor einem Jahr aufgeschrieben habe, bin ich heute nicht mehr einverstanden, weil sie z.B. zu viel Stolz, oder Respektlosigkeit zeigen. Aber Menschen entwickeln sich nun mal und ich finde es interessant meine alten Blogeinträge durchzulesen und zu sehen, wie ich mich entwickelt habe.
Wie gesagt, habe ich mit einer melancholisch-depressiven Note angefangen. Winter, grauer Winter, wenig Licht, kein Serotonin (Glücks-Botenstoff) und ich hatte nicht mal Ahnung von Serotonin und davon, dass man dessen Gehalt mit Bananen, Ananas, bitterer Schokolade (echtem Kakao) und grünem Tee erhöhen könnte, also bekämpfte ich meine Depressionen damit, dass ich mir das von der Seele schrieb, wonach mir war.
Wenn ich die Themen in meinem Blog jetzt durchlese, und für ein Jahr sind es ganz schön viele Beiträge, so sehe ich am Anfang Beiträge, die meine Person erstmal präsentieren. Zumindest das, was ich damals für wichtig hielt, was ich präsentieren wollte. Heute ist mir der größte Teil davon nicht so wichtig, bzw. würde ich mich heute anders präsentieren. Ich habe zu viele Seiten. Jeder Mensch hat sehr viele Seiten. Nach 23 Jahren entdeckte ich selber neue Seiten an mir und war sehr überrascht, also sind solche pauschalen Präsentationen der eigenen Person von wenig Bedeutung.
Dann hatte ich ein Fotoshooting, welches mich sehr begeisterte. Dieses war eine gute Einleitung in den Frühling, über den ich ebenfalls schrieb. Direkt darauf kam mein Ausflug in die Alpen, mit der Hochschulsportgruppe, zum Snowboarden. Das zweite Mal die Alpen sehen, das erste Mal so einen Sport ausüben, viel Sonne, viel Bewegung, jeden Tag Action, gutes Essen und eine Menge Spaß! Diese Fahrt hatte eine große Auswirkung auf meine Laune. Dann wurde mir klar, welch wichtige Rolle die Sonne und die Natur allgemein in unserem Leben spielt. Unsere Laune hängt direkt davon ab.
Dann kam ich wieder nach Hause und es begann eine weitere, wenn auch recht kurze depressive Phase. Nach all der Sonne, dem schönen Schnee wieder im langweiligen Flachland zurück zu sein, das war wie eine zweite Rückkehr aus Riva del Garda nach dem Alpencross 2011. Das Leben hatte wieder an Farbe verloren. Ich bin spät schlafen gegangen und spät aufgestanden, entsprechend waren die Tage kurz, die Nächte lang und einsam. Videobearbeitung, Pflichten, die nicht mal richtige Pflichten waren, sinnlose Projekte. Alles sinnlos und grau... und dann kam Karate in mein Leben.
Zwar hatte ich Karate schon davor betrieben, aber so wirklich gecheckt, was ich da eigentlich mache, hatte ich erst nach einem Jahr, nach dem Lehrgang bei Toribio Osterkamp. Dann fing ich an mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, sowohl praktisch, als auch theoretisch. Ich hatte beschlossen mit dem Tricking und dem Extremsport aufzuhören (außer Mountainbiking, welches für mich mehr ein Abenteuer-, als ein Extremsport ist), um mich voll und ganz auf Karate zu konzentrieren. Nach einigen Büchern und Recherchen, sowie vielen vielen Trainingseinheiten wurde mir noch klarer, was ich da für mich entdeckt hatte. Es war die Kunstart nach der ich so lange gesucht hatte! Ich wollte schon immer meine Kreativität ausleben, aber weder mit dem Malen, noch dem Musizieren, dem Filmen, Schauspielern, Fotografieren und Dichten hat es wirklich funktioniert. Lediglich das Model-sein hat mir Spaß gemacht, aber auch die Lust wurde nach einiger Zeit geringer und die so tollen Fotos von früher waren nur noch Fotos - lustige Erinnerungen, aber keine Kunstwerke. Mit Karate hatte ich körperliches, geistiges und kreatives Training in einem. Ich glaube, dass ich es bis heute nicht so schätze, wie ich sollte. Ich hatte eine Sache gefunden, die meine beiden Passionen - Sport und Kunst - in einem vereint, die einen Schwächen, wie Perfektionismus, zu Stärken macht und andere Schwächen wie Ungeduld, mangelnde Konzentration und Motivation, ausmerzt. Ein geniales Werkzeug zur Charakterbildung! Mit dem Karate hat meine Transformation begonnen. Aber damals war mir das noch nicht ganz bewusst. Ich würde noch einige Lehrgänge besuchen, einige Bücher lesen und viele Wiederholungen der Techniken und Kata machen müssen, um das zu begreifen. Aber ich möchte an dieser Stelle nicht zu weit nach vorne greifen.
Nach dem Lehrgang bei Osterkamp-Sensei und dem echten Beginn meines Karatelebens war aber das alte Leben nicht gleich abgehakt. Ich war immer noch Student, enttäuscht über meine missliche Lage und meine fehlende Motivation zum Studieren, über die blöden Kunden an der Kasse bei der Arbeit, über Facebook, über meine Freunde, darüber, dass meine Freundin mich vor über einem Jahr verließ und ich immer noch einsam war, über die immer noch langen Nächte und die kurzen Tage und vielen, vielen, vielen anderen Enttäuschungen, mit den ich zu kämpfen hatte. Was ich aber nicht wusste, war die Veränderung, die im Hintergrund lief.
Ich zitiere kurz aus dem Osterkamp-Lehrgang:
Osterkamp-Sensei: "Was machen die Japaner in ihrem Training anders, als wir?"
Ich: "Sie atmen flach, mit dem Bauch."
Osterkamp-Sensei: "Ich bin überrascht, dass das jemand weiß, aber wenn du es weißt, warum machst du es dann nicht?"
BÄM! Und dabei dachte ich den ganzen Lehrgang lang, dass ich richtig atmen würde. Das hat dazu geführt, dass ich mich intensiv mit der Bauchatmung beschäftigte und meine Atmung komplett umstellte. Bis zum heutigen Tag atme ich flach. Was hat das aber mit all dem Rest zu tun? ALLES!
Kontrollierte Bauchatmung verlangt eine ständig bewusste Atmung, was dazu führt, dass das Körpergefühl und das Bewusstsein des Momentes verstärkt werden. Das hat wiederum dazu geführt, dass ich wieder anfing zu meditieren. Was ich mit 16-18 schon ab und zu machte, wurde mir wieder interessant. Das zog sich einige Monate hin und ich hatte, ohne mich großartig über Techniken zu informieren, meditiert. Mit geringen Erfolgen. Meine Ex-Freundin schenkte mir dann zum Geburtstag das Buch "Meditation für Skeptiker", ein rein wissenschaftliches Buch, welches ohne religiösen Bezug das Phänomen Meditation erklärte und deren Auswirkungen schilderte. Genau das Richtige für einen militanten Atheisten wie mich, der jegliche Religionen verachtete, aber die Meditation dennoch als nicht religiöse Praxis ansah und neugierig war. Meine Bemühungen wurden noch intensiver. Ich wusste schon ungefähr, was ich mit der Meditation erreichen wollte. Natürlich wollte ich meine Erfahrung mit den Lesern teilen und diese stießen Anfangs auf Interesse, welches aber mit jedem weiteren Blogeintrag zu dem Thema sank, also beschloss ich erstmal über andere Sachen zu schreiben und die ganze Meditationsgeschichte für mich zu behalten.
Zeitgleich begann ich mit dem Lesen der ersten Bücher über das Karate. Ich fing mit einem Buch an, welches mir die Bedeutung von Respekt, Höflichkeit, etc. verdeutlichen würde. Natürlich schrieb ich einige Tage auch darüber im Blog. Doch ich schrieb noch recht wenig über das Karate an sich. Ich versuchte noch all das zu beschreiben, was die Leser interessieren KÖNNTE. Ich hatte vergessen, dass ich den Blog für mich ins Leben rief. Viele Sachen, die ich damals schrieb, postete ich sofort bei Facebook und manche stießen auf Interesse, z.B. meine Meinung über den Schlaf und dessen Wichtigkeit. Es war mir noch sehr wichtig, was die Leute über meinen Blog denken würden. Dann kamen einige Berichte über meinen Zweifel an dieser Gesellschaft. Ich postete dauernd über meine Enttäuschung an Facebook und den dort angemeldeten Menschen, an unserer mangelnden Freiheit et cetera. Enttäuschungen über Enttäuschungen... ich fing an über die Gesellschaft, ja, meine verehrten Leser und mich selbst zu ironisieren und postete häufig, aber wenig wichtige Sachen. All möglichen Quatsch über Musik, Klischees und so weiter. Bis ich auch darauf keine Lust mehr hatte.
Dann kam meine Prüfung zum 6. Kyu. Da kam langsam das Gefühl auf, dass ich tatsächlich etwas in Karate erreicht haben könnte. Sobald der Gürtel etwas dunkler wird (grün in diesem Fall) wird auch die Wahrnehmung der eigenen Rolle anders. Zwar noch ganz am Anfang, aber ich wollte schon Andere für diese Kampfkunst begeistern und evtl. mit meinem Wissen aus den Büchern "glänzen". Schon komisch, wie viel ich mir damals einbildete. Aber die Rolle des Helfers beim kommenden Anfängerkurs an der Uni nahm ich gerne an. Ich sollte noch so Vieles daraus lernen, doch damals wusste ich das noch nicht.
Dann kam meine Reise nach St. Petersburg. Für einige Leser dürfte das komisch klingen, weil einige sicherlich schon viel Erfahrung mit dem einsamen Reisen haben könnten, aber für mich war das die erste selbstständige Reise, der erste Flug, um den ich mich selber kümmern musste und ich war ziemlich nervös. Zumindest in der letzten Woche vor der Reise bis zum ersten Tag, an dem ich herausfinden musste, dass es ganz einfach ist und ich kaum etwas tun müsste, weil alles sehr gut geregelt ist.
Meine Zeit in St. Petersburg hatte ich ebenfalls ganz alleine bestimmt. Ich hatte keinen Guide und beschloss am jeweiligen Tag, welche Sehenswürdigkeit ich besuchen sollte. Es war sehr chillig und interessant, aber nach zehn Tagen hatte ich genug gesehen, eindeutig zu viele Touristen und zu viele Schlösser, Paläste, Gärten und Museen. Die Höhepunkte der Reise waren die Besuche bei meiner Großmutter, des Eremitage und einer Ausstellung über Samurai-Rüstungen und Waffen.
Letztendlich war ich froh zurück in Deutschland zu sein. Russland hat mich herunter gezogen, deprimiert, denn dort achtet man nicht auf die Umwelt, die Autoabgase sind schrecklich (obwohl längst nicht so schlimm wie erwartet: In der Stadt riecht man nichts davon, aber auf der Autobahn sieht man sie), von Mülltrennung und Recycling will man da noch nichts hören, außerdem konnte ich nicht vernünftig trainieren und ein einziges Training in zehn Tagen war für mich damals schon zu wenig. Die Frauen waren auch so ein Faktor... zu viele schöne Frauen und ich laufe herum mit langen Haaren und Bart, absolut nicht dem Trend entsprechend... das ist zwar noch nicht lange her, aber damals hatte das für mich noch eine größere Bedeutung. Mein Selbstbewusstsein sank zum Ende der Reise in die Nähe des Erdkerns.
Nichts desto Trotz habe ich meine Pläne in Russland alle erledigen können, u.a. die letzten Aufnahmen für meinen Sampler machen, den ich sofort nach der Ankunft fertig stellten konnte:
Während meiner Reise hatte ich das Buch "Moving Zen - Eine Reise in das Herz des Karate" von C.W. Nicol dabei, welches ich immer dann las, wann ich Zeit hatte - in der U-Bahn, wo manche Reisen bis zu einer halben Stunde dauerten und vor dem Schlaf. Für mich ist dieses Buch eins der größten Inspirationen und hatte einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Kunst. Ich fing an die Wunder dahinter zu sehen, die physischen und psychischen Möglichkeiten, die sich mir offenbarten... Herr Nicol schrieb viel über sein Training mit dem Makiwara, einem okinawanischen Trainingsgerät, das von vielen Karatekas als für das Training unverzichtbar angesehen wird. An sich ist das nur ein Brett aus biegsamen Holz (z.B. Esche), mit einem Polster, gegen welches man schlägt. Den tieferen Sinn des Makiwara habe ich in in den darauf folgenden Blogeinträgen gepostet. Dann begann ich mein eigenes Makiwara zu bauen. Diese Arbeit zog sich über ein halbes Jahr hin, weil ich zwischendurch einen Mangel an Geld für weitere Materialien, sowie Motivation verspürte.
In September besuchte ich zwei Lehrgänge, bei Schlatt-Sensei und Aoki-Shihan. Natürlich lernte ich dort viel, was meine eigene Trainingsweise beeinflusste. Alles, was ich außerhalb lerne, versuche ich meinen Dohai zu erzählen. Wer will, kann dann auch anfangen so zu trainieren und wenn es ihm/ihr hilft, dann freue ich mich dazu beigetragen zu haben.
Das Leben verläuft wie eine Sinuskurve, hatte ich mal in einem Buch gelesen: Wenn es einem besonders gut geht, dann kommt darauf der Fall, nur um anschließend wieder den Weg für den Aufstieg zu machen. Das ist vollkommen OK. Wenn es uns nur gut gehen würde, so könnten wir es gar nicht mehr wahrnehmen, weil wir vergessen würden wie es ist, wenn es uns schlecht geht. Mein Blog spiegelt das ganz gut wieder, finde ich. Nach den zwei Lehrgängen kam wieder eine kurze depressive Phase, die dazu führte, dass ich anfing sehr intensiv zu trainieren. Ich hatte wieder angefangen zu kochen (wie jedes Mal, wenn es mir nach einer schlechteren Phase wieder gut geht) und an einigen Fotoshootings teilzunehmen, außerdem hatte ich die verrückte Idee jeden Sonntag, den ich in Göttingen bin, komplett für das Training zu nutzen.
Es sollte ein sehr langes und intensives Training sein und ich schaffte es sogar meinen Freund und Dohai Martin dafür zu begeistern. Zusammen zu trainieren führt zwar dazu, dass wir zwischendurch viel reden, aber so können wir uns auch gut gegenseitig motivieren und Erfahrungen teilen. Seither hatten wir einige solcher Trainingsessions. Sie sollten in erster Linie dazu dienen uns körperlich und geistig abzuhärten, aber auch als Vorbereitung für die kommende Deutsche Hochschulmeisterschaft in Karate. Eigentlich wollte ich da gar nicht teilnehmen, weil ich, u.a. wegen meiner vorherigen miserablen Leistung auf den Turnieren zu meiner Kickboxzeit, aber auch wegen der allgemeinen Meinung all der alten Karate-Meister aus den Büchern zu Wettkämpfen, beeinflusst war. Aber ich wollte auch nicht zu den Leuten gehören, die sagen "Ich mag Wettkämpfe nicht, aber ich habe auch nie an welchen teilgenommen", also beschloss ich doch in der Kategorie "Kata, 9.-5. Kyu" zu starten, also der Demonstration von Formen im unteren Bereich (Weiß- bis Violettgurt).
Eine Woche vor der Meisterschaft hatte ich Urlaub, ohne große Verpflichtungen von der Uni her, also trainierte ich fast täglich die Kata, die ich beim Wettkampf vorführen wollte. Außerdem gab ich mir Mühe mir die geistige Einstellung anzueignen, dass ich gar nicht gewinnen, sondern lediglich nicht verlieren wollte. Und sollte ich doch verlieren, so würde ich Vieles daraus lernen. Ich übte mich in Bescheidenheit und in Kata gleichzeitig. Bei der DHM hatte ich dann den ersten Platz belegt und trotz all meiner Freude versuchte ich so gut es geht das Ganze wirklich bescheiden anzugehen. Ja, ich zwang mich dazu. Einerseits, damit die anderen nicht denken, ich wäre eingebildet, andererseits um es mir selbst einzureden und nicht eingebildet zu werden. Dass ich den Sieg verdiente, hatte ich erst Monate später begriffen, als ich die selbe Kata vor meinem Prüfer vorführen sollte und er meinte, dass sie gut sei. Das hat mich gefreut, ist mir aber nicht zu sehr zum Kopf gestiegen (nur ein Bisschen ^^). Viel mehr hat es mir gezeigt, dass die Mühe sich auszahlte und motivierte mich dazu noch mehr zu trainieren.
Was die Uni angeht, so hatte ich wieder ein chilliges Semster, in dem ich kaum etwas machte. Ich nahm an einer Studie zum Thema Dehnung Teil und im Laufe dieser lernte ich eine Menge über Beweglichkeit und Methoden diese effektiv zu verbessern, was wieder mein Training stark beeinflusste. Aber hauptsächlich konzentrierte ich mich auf Karate und die Meditation. Und ich kann nicht sagen, dass ich es bereue! Manchmal muss man sich die Auszeit nehmen und sich auf eine Reise in das Innere begeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Ansichten zum Leben schon etwas geändert und beschlossen Vieles lockerer anzugehen, Ideen und Religionen zu tolerieren und Menschen mehr zu respektieren, aber zu den bisher größten Veränderungen sollte es noch kommen...
Nach dem Sieg bei der DHM kam ein Erfolgserlebnis nach dem Anderen: Zeitungsberichte (Futter für das Ego), Gruppensieg bei der Präsentation unserer Dehnstudie, Fortsetzung der Arbeit am Makiwara in großen Schritten, Besuch des Konzertes einer meiner Lieblingsbands...
...
Und dann starb Wolfgang, einer meiner vielen Vorbilder im Karate, der damalige Vorsitzende des Shotokan Karate-Dojo in Göttingen, eines Vereines dessen Mitglied ich zwar bis heute nicht bin, welches mich aber bei der ein, oder anderen Trainingseinheit duldet und mit dessen Mitgliedern ich mich sehr gut verstehe. Wie ich in den Blogeinträgen über Wolfgang schrieb, hatte er, trotz der wenigen Trainingseinheiten, die ich bei ihm besuchte und der kurzen Zeit, die ich ihn kannte, einen enormen Einfluss auf mein Verständnis des Karate und die Ausführung vieler Techniken, die ich bis heute so ausübe. Ich war über seinen Tod erschüttert und nach seiner Beisetzung schlichen sich in mein atheistisches, aber bereits stark von Meditation verändertes Denken immer mehr geistige Gedanken ein. Ideen über die Vergänglichkeit und Schätzung des Lebens wurden zunehmend dominant. Sehr passend dazu hatte ich angefangen das zweite Buch über Meditation zu lesen, ein weniger wissenschaftliches Buch, welches dafür viel lockerer und dem Leser näher erscheint. Die ersten zwei Kapitel erklärten alles über Meditation und den Buddhismus, was ich bis dahin wusste... davor hielt ich mich für jemanden, der in der Meditation erfahren ist, doch mir standen noch mindestens 11 weitere Kapitel bevor, die meinen Horizont erweitern sollten.
Weitere Lehrgänge standen auf dem Programm:
In den darauf folgenden zwei Monaten hatte ich nur wenig im Blog gepostet, dafür sehr viel meditiert, trainiert und versucht zu verstehen, wer ich bin und was ich eigentlich will. Ich kann auf diese Fragen immer noch nicht antworten, denn ich bin noch ganz am Anfang des Weges der Selbstfindung, doch eins kann ich sagen: Ich bin jetzt schon mit dem zufrieden, was ich bin, was ich kann und was ich habe. Würde ich morgen sterben, so gäbe es nur eine Sache, die ich bereue (diese Betrifft eine gescheiterte Freundschaft), aber im Großen und Ganzen hätte ich sonst keine Reue. Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn dann werde ich nur zu dem, was ich vor meiner Geburt schon war - Erde, Teilchen, ein Teil des Universums. Das Konzept der Wiedergeburt erklärt das Ganze sehr gut. Aber ich möchte noch nicht sterben, denn ich fühle, dass ich noch eine wichtige Aufgabe vor mir habe, die ich hier nicht weiter ausführen möchte, da die Idee noch zu unreif und unsicher ist. Das Leben wird zeigen, was kommen mag. Was auch immer es sei, es wird gut. Ich bin neugierig und optimistisch. "Am Ende wird alles gut sein und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende." ;)
Fazit:
Zu Beginn war der Blog für mich ein Mittel, um meine Depressionen zu bekämpfen. Ich war ein trauriger, einsamer Mensch, fühlte mich unfair behandelt und war stets mit dem unzufrieden, was ich hatte. Ich klammerte mich noch stark an materielle Dinge, wie Kleidung und technische Gadgets.
Dann fing ich an den Blog als Plattform für Beschwerden zu sehen. Ich regte mich über alles auf, was mich an dieser Gesellschaft störte und zum Glück hatte ich meinen Eintrag über meinen Hass auf Religionen nie gepostet. Den Entwurf habe ich gelöscht, weil ich längst nicht mehr so denke. Mein Denken hat einen weiteren Schritt in Richtung Frieden getan. Ich habe angefangen das, was mich an anderen störte, in mir zu sehen und bevor man sich über andere aufregt, sollte man an sich selbst arbeiten. Diese Selbstreflexion und Arbeit an mir hat wiederum dazu geführt, dass ich gelernt habe mich so zu akzeptieren wie ich bin und ganz langsam, Schritt für Schritt, meine Charakterschwächen auszumerzen. Man kann Probleme akzeptieren, das heißt aber nicht, dass man sie nicht lösen sollte. Doch wenn man sich über diese Probleme aufregt und ihre Bedeutung überschätzt, dann bekommt man Angst davor und ihre Lösung wird schwierig. Man darf sich selbst nicht im Weg stehen.
Heute nutze ich den Blog, um solche Ideen zu verbreiten. Auch später möchte ich darauf zurückschauen und darüber nachdenken, ob ich diese Ideen noch vertrete, oder ob sich etwas geändert hat.
So wie ich mich präsentiere... naja, manche könnten denken, dass ich so friedlich und "perfekt" bin, aber glaubt mir: Ich bin ganz weit davon entfernt. Das erzähle ich auch den Menschen, die ich neu kennenlerne. Ich habe immer noch Tage, sogar Wochen, wo ich schlecht drauf bin, mich die Kunden an der Kasse nerven, die Politiker zur Weißglut bringen etc. Aber es ist längst nicht mehr so schlimm wie früher, denn ich versuche alles zu schätzen, was ich habe: Meine Gesundheit, das Essen, das Wasser, die Luft zum atmen, die vier Wände um mich herum und das Dach über dem Kopf, die Wärme, die Gemütlichkeit und meine Freunde. Mehr braucht man nicht für das Glück. Ich rege mich nur noch über wenige Dinge auf und mein Ziel, mein Ideal ist es mich über nichts mehr aufzuregen und mit allem, vor allem mit mir selbst, in Frieden zu leben.
Was hat mich überhaupt dazu getrieben? Depressionen. Winterdepressionen, die fast jeder Mensch hat. Vielleicht etwas stärker ausgeprägt, als beim Rest... vielleicht auch nicht. Jedenfalls wollte ich meine Gedanken niederschreiben und bis dahin habe ich generell nicht sehr viel geschrieben. Tagebücher liefen bei mir nie gut, nur ein Mal, während der Alpenfahrt, weil ich täglich interessante Sachen erlebte und Abends sowieso nichts zu tun hatte. Dafür habe ich jetzt etwas neben den Fotos, was mir die Erinnerung auffrischt. So auch mit dem Blog. Ich hatte immer das niedergeschrieben, was ich aktuell dachte und mit manchen Sachen, die ich vor einem Jahr aufgeschrieben habe, bin ich heute nicht mehr einverstanden, weil sie z.B. zu viel Stolz, oder Respektlosigkeit zeigen. Aber Menschen entwickeln sich nun mal und ich finde es interessant meine alten Blogeinträge durchzulesen und zu sehen, wie ich mich entwickelt habe.
Wie gesagt, habe ich mit einer melancholisch-depressiven Note angefangen. Winter, grauer Winter, wenig Licht, kein Serotonin (Glücks-Botenstoff) und ich hatte nicht mal Ahnung von Serotonin und davon, dass man dessen Gehalt mit Bananen, Ananas, bitterer Schokolade (echtem Kakao) und grünem Tee erhöhen könnte, also bekämpfte ich meine Depressionen damit, dass ich mir das von der Seele schrieb, wonach mir war.
Wenn ich die Themen in meinem Blog jetzt durchlese, und für ein Jahr sind es ganz schön viele Beiträge, so sehe ich am Anfang Beiträge, die meine Person erstmal präsentieren. Zumindest das, was ich damals für wichtig hielt, was ich präsentieren wollte. Heute ist mir der größte Teil davon nicht so wichtig, bzw. würde ich mich heute anders präsentieren. Ich habe zu viele Seiten. Jeder Mensch hat sehr viele Seiten. Nach 23 Jahren entdeckte ich selber neue Seiten an mir und war sehr überrascht, also sind solche pauschalen Präsentationen der eigenen Person von wenig Bedeutung.
Dann hatte ich ein Fotoshooting, welches mich sehr begeisterte. Dieses war eine gute Einleitung in den Frühling, über den ich ebenfalls schrieb. Direkt darauf kam mein Ausflug in die Alpen, mit der Hochschulsportgruppe, zum Snowboarden. Das zweite Mal die Alpen sehen, das erste Mal so einen Sport ausüben, viel Sonne, viel Bewegung, jeden Tag Action, gutes Essen und eine Menge Spaß! Diese Fahrt hatte eine große Auswirkung auf meine Laune. Dann wurde mir klar, welch wichtige Rolle die Sonne und die Natur allgemein in unserem Leben spielt. Unsere Laune hängt direkt davon ab.
Dann kam ich wieder nach Hause und es begann eine weitere, wenn auch recht kurze depressive Phase. Nach all der Sonne, dem schönen Schnee wieder im langweiligen Flachland zurück zu sein, das war wie eine zweite Rückkehr aus Riva del Garda nach dem Alpencross 2011. Das Leben hatte wieder an Farbe verloren. Ich bin spät schlafen gegangen und spät aufgestanden, entsprechend waren die Tage kurz, die Nächte lang und einsam. Videobearbeitung, Pflichten, die nicht mal richtige Pflichten waren, sinnlose Projekte. Alles sinnlos und grau... und dann kam Karate in mein Leben.
Zwar hatte ich Karate schon davor betrieben, aber so wirklich gecheckt, was ich da eigentlich mache, hatte ich erst nach einem Jahr, nach dem Lehrgang bei Toribio Osterkamp. Dann fing ich an mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, sowohl praktisch, als auch theoretisch. Ich hatte beschlossen mit dem Tricking und dem Extremsport aufzuhören (außer Mountainbiking, welches für mich mehr ein Abenteuer-, als ein Extremsport ist), um mich voll und ganz auf Karate zu konzentrieren. Nach einigen Büchern und Recherchen, sowie vielen vielen Trainingseinheiten wurde mir noch klarer, was ich da für mich entdeckt hatte. Es war die Kunstart nach der ich so lange gesucht hatte! Ich wollte schon immer meine Kreativität ausleben, aber weder mit dem Malen, noch dem Musizieren, dem Filmen, Schauspielern, Fotografieren und Dichten hat es wirklich funktioniert. Lediglich das Model-sein hat mir Spaß gemacht, aber auch die Lust wurde nach einiger Zeit geringer und die so tollen Fotos von früher waren nur noch Fotos - lustige Erinnerungen, aber keine Kunstwerke. Mit Karate hatte ich körperliches, geistiges und kreatives Training in einem. Ich glaube, dass ich es bis heute nicht so schätze, wie ich sollte. Ich hatte eine Sache gefunden, die meine beiden Passionen - Sport und Kunst - in einem vereint, die einen Schwächen, wie Perfektionismus, zu Stärken macht und andere Schwächen wie Ungeduld, mangelnde Konzentration und Motivation, ausmerzt. Ein geniales Werkzeug zur Charakterbildung! Mit dem Karate hat meine Transformation begonnen. Aber damals war mir das noch nicht ganz bewusst. Ich würde noch einige Lehrgänge besuchen, einige Bücher lesen und viele Wiederholungen der Techniken und Kata machen müssen, um das zu begreifen. Aber ich möchte an dieser Stelle nicht zu weit nach vorne greifen.
Mit Osterkamp-Sensei |
Nach dem Lehrgang bei Osterkamp-Sensei und dem echten Beginn meines Karatelebens war aber das alte Leben nicht gleich abgehakt. Ich war immer noch Student, enttäuscht über meine missliche Lage und meine fehlende Motivation zum Studieren, über die blöden Kunden an der Kasse bei der Arbeit, über Facebook, über meine Freunde, darüber, dass meine Freundin mich vor über einem Jahr verließ und ich immer noch einsam war, über die immer noch langen Nächte und die kurzen Tage und vielen, vielen, vielen anderen Enttäuschungen, mit den ich zu kämpfen hatte. Was ich aber nicht wusste, war die Veränderung, die im Hintergrund lief.
Ich zitiere kurz aus dem Osterkamp-Lehrgang:
Osterkamp-Sensei: "Was machen die Japaner in ihrem Training anders, als wir?"
Ich: "Sie atmen flach, mit dem Bauch."
Osterkamp-Sensei: "Ich bin überrascht, dass das jemand weiß, aber wenn du es weißt, warum machst du es dann nicht?"
BÄM! Und dabei dachte ich den ganzen Lehrgang lang, dass ich richtig atmen würde. Das hat dazu geführt, dass ich mich intensiv mit der Bauchatmung beschäftigte und meine Atmung komplett umstellte. Bis zum heutigen Tag atme ich flach. Was hat das aber mit all dem Rest zu tun? ALLES!
Kontrollierte Bauchatmung verlangt eine ständig bewusste Atmung, was dazu führt, dass das Körpergefühl und das Bewusstsein des Momentes verstärkt werden. Das hat wiederum dazu geführt, dass ich wieder anfing zu meditieren. Was ich mit 16-18 schon ab und zu machte, wurde mir wieder interessant. Das zog sich einige Monate hin und ich hatte, ohne mich großartig über Techniken zu informieren, meditiert. Mit geringen Erfolgen. Meine Ex-Freundin schenkte mir dann zum Geburtstag das Buch "Meditation für Skeptiker", ein rein wissenschaftliches Buch, welches ohne religiösen Bezug das Phänomen Meditation erklärte und deren Auswirkungen schilderte. Genau das Richtige für einen militanten Atheisten wie mich, der jegliche Religionen verachtete, aber die Meditation dennoch als nicht religiöse Praxis ansah und neugierig war. Meine Bemühungen wurden noch intensiver. Ich wusste schon ungefähr, was ich mit der Meditation erreichen wollte. Natürlich wollte ich meine Erfahrung mit den Lesern teilen und diese stießen Anfangs auf Interesse, welches aber mit jedem weiteren Blogeintrag zu dem Thema sank, also beschloss ich erstmal über andere Sachen zu schreiben und die ganze Meditationsgeschichte für mich zu behalten.
Zeitgleich begann ich mit dem Lesen der ersten Bücher über das Karate. Ich fing mit einem Buch an, welches mir die Bedeutung von Respekt, Höflichkeit, etc. verdeutlichen würde. Natürlich schrieb ich einige Tage auch darüber im Blog. Doch ich schrieb noch recht wenig über das Karate an sich. Ich versuchte noch all das zu beschreiben, was die Leser interessieren KÖNNTE. Ich hatte vergessen, dass ich den Blog für mich ins Leben rief. Viele Sachen, die ich damals schrieb, postete ich sofort bei Facebook und manche stießen auf Interesse, z.B. meine Meinung über den Schlaf und dessen Wichtigkeit. Es war mir noch sehr wichtig, was die Leute über meinen Blog denken würden. Dann kamen einige Berichte über meinen Zweifel an dieser Gesellschaft. Ich postete dauernd über meine Enttäuschung an Facebook und den dort angemeldeten Menschen, an unserer mangelnden Freiheit et cetera. Enttäuschungen über Enttäuschungen... ich fing an über die Gesellschaft, ja, meine verehrten Leser und mich selbst zu ironisieren und postete häufig, aber wenig wichtige Sachen. All möglichen Quatsch über Musik, Klischees und so weiter. Bis ich auch darauf keine Lust mehr hatte.
Dann kam meine Prüfung zum 6. Kyu. Da kam langsam das Gefühl auf, dass ich tatsächlich etwas in Karate erreicht haben könnte. Sobald der Gürtel etwas dunkler wird (grün in diesem Fall) wird auch die Wahrnehmung der eigenen Rolle anders. Zwar noch ganz am Anfang, aber ich wollte schon Andere für diese Kampfkunst begeistern und evtl. mit meinem Wissen aus den Büchern "glänzen". Schon komisch, wie viel ich mir damals einbildete. Aber die Rolle des Helfers beim kommenden Anfängerkurs an der Uni nahm ich gerne an. Ich sollte noch so Vieles daraus lernen, doch damals wusste ich das noch nicht.
Dann kam meine Reise nach St. Petersburg. Für einige Leser dürfte das komisch klingen, weil einige sicherlich schon viel Erfahrung mit dem einsamen Reisen haben könnten, aber für mich war das die erste selbstständige Reise, der erste Flug, um den ich mich selber kümmern musste und ich war ziemlich nervös. Zumindest in der letzten Woche vor der Reise bis zum ersten Tag, an dem ich herausfinden musste, dass es ganz einfach ist und ich kaum etwas tun müsste, weil alles sehr gut geregelt ist.
Meine Zeit in St. Petersburg hatte ich ebenfalls ganz alleine bestimmt. Ich hatte keinen Guide und beschloss am jeweiligen Tag, welche Sehenswürdigkeit ich besuchen sollte. Es war sehr chillig und interessant, aber nach zehn Tagen hatte ich genug gesehen, eindeutig zu viele Touristen und zu viele Schlösser, Paläste, Gärten und Museen. Die Höhepunkte der Reise waren die Besuche bei meiner Großmutter, des Eremitage und einer Ausstellung über Samurai-Rüstungen und Waffen.
Letztendlich war ich froh zurück in Deutschland zu sein. Russland hat mich herunter gezogen, deprimiert, denn dort achtet man nicht auf die Umwelt, die Autoabgase sind schrecklich (obwohl längst nicht so schlimm wie erwartet: In der Stadt riecht man nichts davon, aber auf der Autobahn sieht man sie), von Mülltrennung und Recycling will man da noch nichts hören, außerdem konnte ich nicht vernünftig trainieren und ein einziges Training in zehn Tagen war für mich damals schon zu wenig. Die Frauen waren auch so ein Faktor... zu viele schöne Frauen und ich laufe herum mit langen Haaren und Bart, absolut nicht dem Trend entsprechend... das ist zwar noch nicht lange her, aber damals hatte das für mich noch eine größere Bedeutung. Mein Selbstbewusstsein sank zum Ende der Reise in die Nähe des Erdkerns.
Nichts desto Trotz habe ich meine Pläne in Russland alle erledigen können, u.a. die letzten Aufnahmen für meinen Sampler machen, den ich sofort nach der Ankunft fertig stellten konnte:
Während meiner Reise hatte ich das Buch "Moving Zen - Eine Reise in das Herz des Karate" von C.W. Nicol dabei, welches ich immer dann las, wann ich Zeit hatte - in der U-Bahn, wo manche Reisen bis zu einer halben Stunde dauerten und vor dem Schlaf. Für mich ist dieses Buch eins der größten Inspirationen und hatte einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Kunst. Ich fing an die Wunder dahinter zu sehen, die physischen und psychischen Möglichkeiten, die sich mir offenbarten... Herr Nicol schrieb viel über sein Training mit dem Makiwara, einem okinawanischen Trainingsgerät, das von vielen Karatekas als für das Training unverzichtbar angesehen wird. An sich ist das nur ein Brett aus biegsamen Holz (z.B. Esche), mit einem Polster, gegen welches man schlägt. Den tieferen Sinn des Makiwara habe ich in in den darauf folgenden Blogeinträgen gepostet. Dann begann ich mein eigenes Makiwara zu bauen. Diese Arbeit zog sich über ein halbes Jahr hin, weil ich zwischendurch einen Mangel an Geld für weitere Materialien, sowie Motivation verspürte.
In September besuchte ich zwei Lehrgänge, bei Schlatt-Sensei und Aoki-Shihan. Natürlich lernte ich dort viel, was meine eigene Trainingsweise beeinflusste. Alles, was ich außerhalb lerne, versuche ich meinen Dohai zu erzählen. Wer will, kann dann auch anfangen so zu trainieren und wenn es ihm/ihr hilft, dann freue ich mich dazu beigetragen zu haben.
Aoki-Shihan |
Schlatt-Sensei demonstriert an mir fiese Techniken |
Das Leben verläuft wie eine Sinuskurve, hatte ich mal in einem Buch gelesen: Wenn es einem besonders gut geht, dann kommt darauf der Fall, nur um anschließend wieder den Weg für den Aufstieg zu machen. Das ist vollkommen OK. Wenn es uns nur gut gehen würde, so könnten wir es gar nicht mehr wahrnehmen, weil wir vergessen würden wie es ist, wenn es uns schlecht geht. Mein Blog spiegelt das ganz gut wieder, finde ich. Nach den zwei Lehrgängen kam wieder eine kurze depressive Phase, die dazu führte, dass ich anfing sehr intensiv zu trainieren. Ich hatte wieder angefangen zu kochen (wie jedes Mal, wenn es mir nach einer schlechteren Phase wieder gut geht) und an einigen Fotoshootings teilzunehmen, außerdem hatte ich die verrückte Idee jeden Sonntag, den ich in Göttingen bin, komplett für das Training zu nutzen.
Es sollte ein sehr langes und intensives Training sein und ich schaffte es sogar meinen Freund und Dohai Martin dafür zu begeistern. Zusammen zu trainieren führt zwar dazu, dass wir zwischendurch viel reden, aber so können wir uns auch gut gegenseitig motivieren und Erfahrungen teilen. Seither hatten wir einige solcher Trainingsessions. Sie sollten in erster Linie dazu dienen uns körperlich und geistig abzuhärten, aber auch als Vorbereitung für die kommende Deutsche Hochschulmeisterschaft in Karate. Eigentlich wollte ich da gar nicht teilnehmen, weil ich, u.a. wegen meiner vorherigen miserablen Leistung auf den Turnieren zu meiner Kickboxzeit, aber auch wegen der allgemeinen Meinung all der alten Karate-Meister aus den Büchern zu Wettkämpfen, beeinflusst war. Aber ich wollte auch nicht zu den Leuten gehören, die sagen "Ich mag Wettkämpfe nicht, aber ich habe auch nie an welchen teilgenommen", also beschloss ich doch in der Kategorie "Kata, 9.-5. Kyu" zu starten, also der Demonstration von Formen im unteren Bereich (Weiß- bis Violettgurt).
Eine Woche vor der Meisterschaft hatte ich Urlaub, ohne große Verpflichtungen von der Uni her, also trainierte ich fast täglich die Kata, die ich beim Wettkampf vorführen wollte. Außerdem gab ich mir Mühe mir die geistige Einstellung anzueignen, dass ich gar nicht gewinnen, sondern lediglich nicht verlieren wollte. Und sollte ich doch verlieren, so würde ich Vieles daraus lernen. Ich übte mich in Bescheidenheit und in Kata gleichzeitig. Bei der DHM hatte ich dann den ersten Platz belegt und trotz all meiner Freude versuchte ich so gut es geht das Ganze wirklich bescheiden anzugehen. Ja, ich zwang mich dazu. Einerseits, damit die anderen nicht denken, ich wäre eingebildet, andererseits um es mir selbst einzureden und nicht eingebildet zu werden. Dass ich den Sieg verdiente, hatte ich erst Monate später begriffen, als ich die selbe Kata vor meinem Prüfer vorführen sollte und er meinte, dass sie gut sei. Das hat mich gefreut, ist mir aber nicht zu sehr zum Kopf gestiegen (nur ein Bisschen ^^). Viel mehr hat es mir gezeigt, dass die Mühe sich auszahlte und motivierte mich dazu noch mehr zu trainieren.
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Was die Uni angeht, so hatte ich wieder ein chilliges Semster, in dem ich kaum etwas machte. Ich nahm an einer Studie zum Thema Dehnung Teil und im Laufe dieser lernte ich eine Menge über Beweglichkeit und Methoden diese effektiv zu verbessern, was wieder mein Training stark beeinflusste. Aber hauptsächlich konzentrierte ich mich auf Karate und die Meditation. Und ich kann nicht sagen, dass ich es bereue! Manchmal muss man sich die Auszeit nehmen und sich auf eine Reise in das Innere begeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Ansichten zum Leben schon etwas geändert und beschlossen Vieles lockerer anzugehen, Ideen und Religionen zu tolerieren und Menschen mehr zu respektieren, aber zu den bisher größten Veränderungen sollte es noch kommen...
Nach dem Sieg bei der DHM kam ein Erfolgserlebnis nach dem Anderen: Zeitungsberichte (Futter für das Ego), Gruppensieg bei der Präsentation unserer Dehnstudie, Fortsetzung der Arbeit am Makiwara in großen Schritten, Besuch des Konzertes einer meiner Lieblingsbands...
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Und dann starb Wolfgang, einer meiner vielen Vorbilder im Karate, der damalige Vorsitzende des Shotokan Karate-Dojo in Göttingen, eines Vereines dessen Mitglied ich zwar bis heute nicht bin, welches mich aber bei der ein, oder anderen Trainingseinheit duldet und mit dessen Mitgliedern ich mich sehr gut verstehe. Wie ich in den Blogeinträgen über Wolfgang schrieb, hatte er, trotz der wenigen Trainingseinheiten, die ich bei ihm besuchte und der kurzen Zeit, die ich ihn kannte, einen enormen Einfluss auf mein Verständnis des Karate und die Ausführung vieler Techniken, die ich bis heute so ausübe. Ich war über seinen Tod erschüttert und nach seiner Beisetzung schlichen sich in mein atheistisches, aber bereits stark von Meditation verändertes Denken immer mehr geistige Gedanken ein. Ideen über die Vergänglichkeit und Schätzung des Lebens wurden zunehmend dominant. Sehr passend dazu hatte ich angefangen das zweite Buch über Meditation zu lesen, ein weniger wissenschaftliches Buch, welches dafür viel lockerer und dem Leser näher erscheint. Die ersten zwei Kapitel erklärten alles über Meditation und den Buddhismus, was ich bis dahin wusste... davor hielt ich mich für jemanden, der in der Meditation erfahren ist, doch mir standen noch mindestens 11 weitere Kapitel bevor, die meinen Horizont erweitern sollten.
Weitere Lehrgänge standen auf dem Programm:
Ochi-Shihan |
Sugimura-Shihan |
In den darauf folgenden zwei Monaten hatte ich nur wenig im Blog gepostet, dafür sehr viel meditiert, trainiert und versucht zu verstehen, wer ich bin und was ich eigentlich will. Ich kann auf diese Fragen immer noch nicht antworten, denn ich bin noch ganz am Anfang des Weges der Selbstfindung, doch eins kann ich sagen: Ich bin jetzt schon mit dem zufrieden, was ich bin, was ich kann und was ich habe. Würde ich morgen sterben, so gäbe es nur eine Sache, die ich bereue (diese Betrifft eine gescheiterte Freundschaft), aber im Großen und Ganzen hätte ich sonst keine Reue. Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn dann werde ich nur zu dem, was ich vor meiner Geburt schon war - Erde, Teilchen, ein Teil des Universums. Das Konzept der Wiedergeburt erklärt das Ganze sehr gut. Aber ich möchte noch nicht sterben, denn ich fühle, dass ich noch eine wichtige Aufgabe vor mir habe, die ich hier nicht weiter ausführen möchte, da die Idee noch zu unreif und unsicher ist. Das Leben wird zeigen, was kommen mag. Was auch immer es sei, es wird gut. Ich bin neugierig und optimistisch. "Am Ende wird alles gut sein und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende." ;)
Fazit:
Zu Beginn war der Blog für mich ein Mittel, um meine Depressionen zu bekämpfen. Ich war ein trauriger, einsamer Mensch, fühlte mich unfair behandelt und war stets mit dem unzufrieden, was ich hatte. Ich klammerte mich noch stark an materielle Dinge, wie Kleidung und technische Gadgets.
Dann fing ich an den Blog als Plattform für Beschwerden zu sehen. Ich regte mich über alles auf, was mich an dieser Gesellschaft störte und zum Glück hatte ich meinen Eintrag über meinen Hass auf Religionen nie gepostet. Den Entwurf habe ich gelöscht, weil ich längst nicht mehr so denke. Mein Denken hat einen weiteren Schritt in Richtung Frieden getan. Ich habe angefangen das, was mich an anderen störte, in mir zu sehen und bevor man sich über andere aufregt, sollte man an sich selbst arbeiten. Diese Selbstreflexion und Arbeit an mir hat wiederum dazu geführt, dass ich gelernt habe mich so zu akzeptieren wie ich bin und ganz langsam, Schritt für Schritt, meine Charakterschwächen auszumerzen. Man kann Probleme akzeptieren, das heißt aber nicht, dass man sie nicht lösen sollte. Doch wenn man sich über diese Probleme aufregt und ihre Bedeutung überschätzt, dann bekommt man Angst davor und ihre Lösung wird schwierig. Man darf sich selbst nicht im Weg stehen.
Heute nutze ich den Blog, um solche Ideen zu verbreiten. Auch später möchte ich darauf zurückschauen und darüber nachdenken, ob ich diese Ideen noch vertrete, oder ob sich etwas geändert hat.
So wie ich mich präsentiere... naja, manche könnten denken, dass ich so friedlich und "perfekt" bin, aber glaubt mir: Ich bin ganz weit davon entfernt. Das erzähle ich auch den Menschen, die ich neu kennenlerne. Ich habe immer noch Tage, sogar Wochen, wo ich schlecht drauf bin, mich die Kunden an der Kasse nerven, die Politiker zur Weißglut bringen etc. Aber es ist längst nicht mehr so schlimm wie früher, denn ich versuche alles zu schätzen, was ich habe: Meine Gesundheit, das Essen, das Wasser, die Luft zum atmen, die vier Wände um mich herum und das Dach über dem Kopf, die Wärme, die Gemütlichkeit und meine Freunde. Mehr braucht man nicht für das Glück. Ich rege mich nur noch über wenige Dinge auf und mein Ziel, mein Ideal ist es mich über nichts mehr aufzuregen und mit allem, vor allem mit mir selbst, in Frieden zu leben.
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